Einführung in die Patentüberwachung, Teil 1/3: Warum überwachen?
Über diese Artikelreihe
Im Jahr 2016 hat das Europäische Patentamt fast 160.000 Patentanmeldungen erhalten. Etwa 95.900 Patente wurden im selben Jahr erteilt, das sind so viele wie nie zuvor und im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um etwa 40%. Als forschendes Unternehmen, ja sogar als Patentanwalt, ist es schwer hier den Überblick zu behalten. Der Gedanke wichtige Anmeldungen und Patenterteilungen zu verpassen ist ein ständiger Begleiter – und die Folgen unüberschaubar. (EPA, Annual Report 2016)
In dieser Serie von Artikeln möchte ich Ihnen Strategien aufzeigen, wie sie diese Gefahr minimieren, und mit einfachen und zeitsparenden Mitteln die Patentsituation in Ihrem technischen Gebiet überwachen können. Werden Sie aktiv, anstatt defensiv auf die Strategien der Konkurrenz reagieren zu müssen!
Im ersten Teil meiner Artikelreihe über Patentüberwachung möchte ich erläutern, warum die Überwachung sowohl eigener als auch fremder Patentanmeldungen aus dem eigenen Bereich von Unternehmen und Forschungsorganisationen auf keinen Fall vernachlässigt werden sollte – und das auch dann, wenn man selbst vielleicht gar keine Patente besitzt. Überwachung bedeutet im einfachsten Sinne, auf dem Laufenden zu bleiben. Die von den Patentämtern veröffentlichten Daten sind äußerst umfangreich und bieten – wenn entsprechend gefiltert und aufbereitet – eine Fülle an Informationen, die sowohl dabei helfen können, das eigene Unternehmen und geistige Eigentum zu schützen, als auch dieses auszubauen und gegenüber der Konkurrenz im Vorteil zu sein.
Die folgenden sechs Aspekte möchte ich besonders hervorheben:
- Überwachung als Vorwarneinrichtung. Kritische Informationen zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erhalten kann Ihrem Unternehmen einen entscheiden Vorteil verschaffen. Eine neue, für Sie relevante Technologie wird zum Patent angemeldet? Dies schon vor der Erteilung zu wissen kann z.B. ermöglichen, frühzeitig in Verhandlung über eine Exklusivlizenz zu gehen und so einen Wettbewerbsvorteil zu erhalten. Auch Informationen über kürzlich erloschene Patente – z.B. weil eine Jahresgebühr nicht bezahlt wurde – können sehr vorteilhaft sein.
- Überwachung behält die Konkurrenz im Blick. Frisch veröffentlichte Patentanmeldungen der Konkurrenz können Aufschluss darüber geben, auf welche Marktsegmente oder Produkteigenschaften Ihre Wettbewerber in der nahen Zukunft ihren Fokus legen möchten. Gleichzeitig können Sie verhindern, dass Konkurrenzanbieter systematisch „Lücken schließen“ und ihr Patentportfolio ohne Ihr Wissen ausweiten – stattdessen können Sie sofort reagieren und sich u.U. zumindest Zeit verschaffen.
- Überwachung kann Anreize für die eigene Forschung und Entwicklung geben. Patente werden nicht nur auf bahnbrechende Neuerungen erteilt, sondern auch auf neue Produkte oder Methoden, die gegenüber vorhandenen Techniken Vorteile oder Verbesserungen bieten. Frühzeitig über die neuesten Entwicklungen Bescheid zu wissen, kann Ihrer eigenen Forschung Ideen zusammen mit einem zeitlichen Vorsprung für Weiterentwicklungen liefern.
- Überwachung kann Forschung und Entwicklung in die falsche Richtung verhindern. Produktentwicklung ist teuer – und kann am Ende hinfällig sein, wenn ein Wettbewerber schneller ist und als Erster das Patent für eine Neuerung beantragt. So wie das Wissen über aktuelle Patentanmeldungen eine neue Richtung vorgeben kann, so kann es auch dazu genutzt werden, nicht unnötig Ressourcen auf etwas zu verschwenden, das am Ende sowieso nicht von Ihrer Organisation kommerziell verwertet werden kann.
- Überwachung kann potentielle Schutzverletzungen entdecken. Die Identifizierung neu veröffentlichter Erfindungen, die potentiell das geistige Eigentum Ihres Unternehmens verletzen, ermöglicht die frühzeitige Einleitung entsprechender juristischer Schritte oder das Treffen von Lizenzvereinbarungen.
- Überwachung unterstützt die eigene Patentstrategie. Auch über die eigentlichen technischen Inhalte hinaus kann die Überwachung von Patentanmeldungen zahlreiche Informationen strategischer Natur liefern: welches Geschäftsmodell verfolgt Ihre Konkurrenz, z.B. liegt der Fokus eher auf Innovation oder Kostensenkung? Wie sollte sich Ihr Unternehmen verhalten, z.B. Ausgaben für Forschung und Entwicklung erhöhen oder senken? Wie entwickelt sich Ihre Branche, z.B. gibt es neue Konkurrenten, oder neue Produkte, die Ihres obsolet machen könnten? Wie verhalten sich die Patentämter und -gerichte der für Sie relevanten Märke, z.B. gibt es Änderungen in der Rechtsprechung? Und nicht zuletzt: welche Patentstrategie verfolgen Sie, offensiv (z.B. Generierung von Lizenzeinnahmen) oder defensiv (Sicherung der eigenen Handlungsfreiheit / „freedom to operate“) oder eine Mischung aus beidem?
Fazit
Um die Frage zu beantworten, ob und wenn ja, warum Patentüberwachung für Sie von unschätzbaren Wert sein könnte, können Sie sich auch die folgenden Gegenfragen stellen: können Sie es sich leisten, über Patentaktivitäten in Ihrer Branche nicht Bescheid zu wissen? Können Sie es sich leisten, Patentanmeldungen Ihrer Wettbewerber nicht zu beachten? Wenn Sie diese Fragen verneinen, dann möchte ich Ihnen zum Abschluss dieses ersten Teils meiner Artikelserie unbedingt ans Herz legen, sich mehr mit dem Thema Patentanmeldungs-Überwachung vertraut zu machen – Teil 2 erscheint in Kürze hier auf meiner Webseite. Bitte kontaktieren Sie mich bei allen Fragen jederzeit gerne!